leuchtdiode künstler bge basf

Haus mit Baum

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Haus mit Baum. Foto: leucht-dio.de

Ich fahre mit dem Rennrad am Rhein, erst an der BASF vorbei, einige Kilometer weiter weg vom Lärm der Stadt dann an diesem Häuschen.

Rund um die BASF ist der Rhein für mich als Radfahrer gesperrt. Es stinkt, es rattert, es keucht und dampft. Menschen mit abgekämpften, müden Gesichtern, in schmuddeligen Overalls essen freudlos ihr Pausenbrot. Die Autos rasen hektisch an mir vorbei.

Immer wenn ich als Radfahrer derartige Industriegebiete am Rande der Städe zu umfahren habe, bin ich froh, dort raus zu sein.

Als ich dann endlich den Industrietempel hinter mir lasse und wieder frische Luft zum Atmen habe, finde ich das Künstlerhäuschen. Davor steht eine weiss gestrichene Bank, mit einem Schriftzug, der freundlich zum Dortbleiben und Ausruhen aufforderte.

Gerne nehme ich das Angebot an und schaue mich ein bisschen um. Atme tief durch. Eigenartigerweise beginnt diese Umgebung, sofort auf mich einzuwirken. Als ob der Künstler, der hier wohnt, nur mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen bei der liebevollen Gestaltung der Umgebung so etwas wie eine Aura der Entspannung schafft. Ich meine, hey, mal Hand aufs Herz: Wer häkelt denn Überzüge für sein Fahrrad? Und warum? Das ist doch sicher nicht „systemrelevant“. Oder doch? Mir kommen schlagartig Gedanken zu einem Thema wie „Lebensqualität“.

Was macht die BASF eigentlich da, am Rande von Ludwigshafen? Wofür nimmt sie so viel Raum ein? Wofür hat sie so viele Bäume gefällt und leitet jede Menge Abfall in den Fluss? Wofür beschäftigt sie so viele Menschen in dieser ungesunden Umgebung? Sicher gibt es einige höchst wichtige Erfindungen und Produkte. Ich bin alles andere als ein „zurück-zur-Natur“ Freak, der alle Industrie abschaffen möchte. Wir haben definitiv von vielen modernen Errungenschaften profitiert und werden weiter profitieren. Aber ist dieses ganze chemische Brimborium wirklich komplett notwendig?

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Ob er auch so inspiriert ist? Foto: shutterstock

Gross geworden ist diese Firma mit der Herstellung von „Teerfarbstoffen“ und Farbstoffen auf Anilinbasis, für die Textilindustrie. Also einfach gesagt: Wer ein knallrotes T-Shirt haben möchte, der braucht dafür diesen ganzen Gestank des börsennotierten Unternehmens. Das Unternehmen wiederum macht die Bauern arbeitslos, die früher natürlichen roten Farbstoff aus den Cochinillen-Läusen gewonnen haben, die sich an einen Kaktus anheften. In meiner Wahlheimat Lanzarote war der Export des tief roten Granulates, das aus den getrockneten und zerstossenen Tierchen gewonnen wird, seinerzeit eine Haupteinnahmequelle. Grosse Not und grossen Hunger hat die Konkurrenz durch das chemische Rot der BASF nicht nur dort ausgelöst.

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Natürlich Rot und umweltfreundlich: Farbstoff aus den Cochinillas. Foto: shutterstock

Und heute wird der Konzern dann mit unseren Steuergeldern „gerettet“, weil ja so viele Arbeitsplätze gerettet werden müssen. Arbeitsplätze, die andernorts ausgestorben sind dank der Gier der Konzernobersten. Arbeitsplätze, die wiederum von Menschen besetzt werden, die ihr täglich Brot viel lebensfroher und umweltfreundlicher verdienen könnten.

Könnte man die BASF also schliessen und den Platz am Rhein der Natur und mir als Rennradfahrer, und den Menschen die dort niedliche Holzhäuschen hinstellen, zurückgeben? Das mag ich hier nicht diskutieren. Wenn die Gesellschaft der Meinung ist, man brauche die BASF und den chemischen Farbstoff tatsächlich, dann kann man aber mindestens die Menschen an diesen stinkenden Arbeitsplätzen weitgehend durch Maschinen und Roboter und schlaue KIs ersetzen. Diese dann „arbeitslosen“ Menschen können daraufhin ihr Pausenbrot endlich wieder unser einem schönen Baum genüsslich essen, der solch einem Haus Schatten spendet. Und mit der zusätzlichen Zeit könnten sie genau das anfangen, was diese (vermutlich noch nicht von Steuergeldern geretteten) Künstler bereits jetzt tun: Die Welt ein bisschen lebenswerter gestalten. Mit ihren Kindern spielen. Echte Werte vermitteln. Meinetwegen auch wollene Überzüge für alte Fahrräder häkeln. Denn die sind sehr wohl systemrelevant: Überzeugen sie mich doch davon, dass es richtig ist, an diesem menschenfreundlichen Ort ein bisschen zu verweilen. Und das macht meine Seele heil. Die Krankenkassen sollten solche Häkelarbeiten gar subventionieren, sie ersetzen nämlich sehr wirkungsvoll den Psychiater!

Und ja, das Geld zur Rettung dieser vielen dann schwer an ihren Häkelprojekten arbeitenden Ex-Arbeiter und Neo-Künstler wird, natürlich, durch die Roboter verdient, die den Aktionären der BASF weiterhin die Renditen sichern, und denen der ganze Gestank des Chemiegiganten am Rhein nichts weiter ausmacht.

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